Netznixe trifft Wirbelwind
Maya Bringolf und Mark Staff Brandl eröffnen die Reihe «Twogether»
von
Ursula Badrutt Schoch
St. Gallen.
Der Projektraum exex am Oberen Graben denkt über künstlerische
Interessensverwandtschaften nach und stellt Resultate temporärer
Zusammenarbeit und wechselseitiger Inspiration in den Raum.
Was soll man denn davon denken? Die Leute bleiben irritiert vor dem
Schaufenster des Projektraumes exex stehen. Wirklich einladend sind die
Gehänge nicht, die da locken. Aber die Neugierde ist geweckt. Hat sich ein
Sadomaso-Club zum Saiten-Büro gesellt? Oder sind es Fallen für die bunten
Bären, die sich so unsäglich vermehren in dieser Stadt? Jedenfalls
scheinen die Netze schweres Geschütz zu sein. Sind sie aber nicht –
zumindest
nicht in materieller Hinsicht.
Ornamentdinge
Was bleigewichtig an Ringen von der Decke hängt, ist nichts als
Fugensilikon.
Für Maya Bringolf (geb. 1969) ist Giess- und Fugensilikon das bevorzugte
und unterdessen ausschliessliche Arbeitsmaterial. Die an den Hochschulen
in Zürich und München ausgebildete Künstlerin aus Schaffhausen, die heute
in Basel lebt, hat Pinsel und Farbe gegen ein industriell gefertigtes
Material aus der Bau- und Giessbranche getauscht. Fragen der Malerei
interessieren sie nach wie vor. Die netzartigen Strukturen, die sie direkt
aus der Tube drückt, sind Objekt gewordene Zeichnungen, getrieben von der
Lust am Ornament. Sie hat damit schon stilvolle Möbel überdeckt in einer
Mischung von liebevollem Spitzentuch und grausamer Fangvorrichtung.
Für den Projektraum hat sie die Netze zusammengerafft als wären es
Spinnhuppelen, die zum Trocknen an einen geschützten Ort kommen müssen.
Entstanden sind geisterhafte Gestalten, die ihre Existenz auch der
temporären Zusammenarbeit mit Mark Staff Brandl verdanken. Sie haben sich
invasiv im Raum verteilt, treten uns in den Weg, lenken den Schritt, wenn
wir uns den bunten Tafeln an den Wänden nähern wollen.
Wie Maya Bringolf interessiert sich auch Mark Staff Brandl für die
Spielarten des Pop unter kulturgeschichtlichem Bewusstsein. Mark Staff
Brandl, geboren 1955, Künstler aus Chicago mit Wohnort Trogen, malt Comics
mit Pinsel auf Leinwand und ordnet die Tafelmalerei gerne zu
ausgeklügelten Installationen.
Er liebt die kleinen Fehler und Schwächen – sowohl in Bilderzeugnissen wie
bei den Menschen. So kreiert er Bastarde als Superhelden, erzählt ihre
Geschichten auf «Covers», behängt mit Anspielungen auf das Zeit- und
Kunstgeschehen der Region und der grossen Welt.
Befruchtungen
Weil sie beide schon in Basel in der Galerie Tony Wüthrich ausgestellt
haben, haben sie vom Werk des anderen gewusst und die inneren
Verwandtschaften erkannt. So haben sie zusammengefunden und ihr Schaffen
einer gegenseitigen Befruchtung ausgesetzt. Ergebnisse dieser temporären
Werkvermischung und des produktiven Austauschs ergiesst sich jetzt in
zahlreichen Geschichten und Geschichtchen in den Raum. Brandls
Comic-Kunst-Figur Whorl Earl, der Tornado mit
Meister-Proper-Superman-Charakterzügen, inspirierte Bringolfs Netze zum
Ghost-Dasein. Eine mögliche Geschichte ihrer Begegnung und Inspiration hat
Mark Staff Brandl über Eck auf Tafeln installiert, ein Comic, dessen
Sprech- und Denkblasen das nächste Bild sind. Textlos nähern sie sich
einander an und schwirren ab, nicht ohne vorher noch eine krasse Explosion
vom Stapel zu lösen. Die Affäre scheint den Superman ermüdet zu haben, er
schläft wie Goyas «Schlaf der Vernunft» über einer Leinwand und träumt von
den Netze spinnenden Spinnen.
Auswüchse
Maya Bringolf ihrerseits hat eine Porträtserie vom Whorl Earl
angefertigt, Fugensilikon auf Giesssilikon, schlabberig und humorvoll auf
die Ansprüche hehrer Malerei reagierend – und Brandl seinerseits wieder zu
einem Porträt vom Porträt anregend.
«Vernacstraction» oder der Titel der Ausstellung «Nu-Pop-Scape» sind die
verbal verschmolzenen Auswüchse des Austauschs. In den umgangssprachlichen
Abstraktionen, in Pop(land)schaften und der Wertschätzung des Ornaments
und der Spielerei als Kunst liegen denn die verbindenden Gemeinsamkeiten
im Schaffen von Maya Bringolf und Mark Staff Brandl. Solche sowohl
formalen als auch inhaltlichen Nähen als Quellen gemeinsamer Verdichtungen
zu nutzen, ist die Idee des Projektes «Twogether».
Die Fortsetzung machen Rayelle Niemann aus Zürich und Kairo und Taysir
Batniji aus Gaza und Paris (1.–25. Juni). Ein weiteres Beispiel für eine
wechselseitige Beeinflussung zweier eigenständiger
Künstlerpersönlichkeiten in einer temporären Zusammenarbeit ist mit Jonas
Dahlberg und Jan Mancuska auch in der Neuen Kunst Halle zu erleben (bis
28.5.).
Stichwort
Twogether
Two together, eine
Künstlerin und ein Künstler treffen sich, lernen sich und ihre
Arbeit gegenseitig kennen und im Austausch wächst die Lust auf ein
gemeinsames Projekt: <Twogether> thematisiert die Auswirkungen
gegenseitiger Beeinflussung in der temporären Zusammenarbeit.
Voraussetzung für das gemeinsame Werk zweier Künstler/innen ist die
Dialogbereitschaft, die Zusammenarbeit zielt auf Diskurs,
Verständigung und Experiment. Die Strategie des Austausches im
Teamwork thematisiert aber nicht nur die individuelle
Künstlerposition, sondern reflektiert auch den Werkbegriff immer von
neuem.
Aus dem Prospekt
«Twogether»
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