oil and acrylic on canvass / Öl und Acryl
auf Leinwand;
89 paintings, je c. 40 x 30 cm or 24 x 30 cm
24 April - 12 June 2015
Vadian, St. Gallen, Switzerland
Invitation
Poster with all paintings shown
Exhibition installation detail photo
Press
Text for Exhibition
Mark Staff Brandl Der Ausstellungstitel "The 'Hood in miim Chopf" ist eine Kombination aus amerikanisch-englischem Slang und Schweizerdeutsch. In korrektem Englisch hiesse der Titel "The Neighborhood in My Head" oder in Schriftdeutsch: "Die Nachbarschaft in meinem Kopf". Ich stelle meine Kunst heutzutage hauptsächlich ausserhalb meines Wohnorts aus. In der Galerie Jedlitschka in Zürich, in Italien, New York, Chicago, anderswo in Europa und auf der Welt. Aber selten Zuhause. Als Herr Ernst mich angefragt hat im Gewölbe-Ausstellungsraum in der Vadian Bank auszustellen, wollte ich mir etwas Spezielles, etwas Geeignetes dafür ausdenken. Das ist für mich die grösste Freude als Künstler, "Contextually Specific", Kontext-Spezifisch, zu arbeiten. In meiner Kunst verschmelzen vorwiegend Malerei mit Installationen, Schriftmalerei und Sequenzieller Kunst (Comics) in einem zentral-konzeptionellen Rahmen, welcher wiederum in einem Zusammenhang mit dem Ort steht, wo sie präsentiert wird. Ich beschloss, da der Standort lokal ist, eine Serie zu malen, die das Lokale zelebriert und verkörpert. Ich porträtierte Personen, die in meiner Nähe im Dorf Trogen AR wohnen und mit denen ich regelmässigen Kontakt habe – also meine Nachbarn. Das ist mein Viertel oder wie wir in den USA sagen: mein " 'Hood". Dann überlegte ich mir, wieso ich den Kontext nicht ein bisschen erweitern sollte um die Serie in unsere mobile Gegenwart zu holen. Ich fügte Personen zur Gruppe hinzu, die ich als Nachbarn betrachte, obwohl sie nicht direkt nebenan wohnen. Es sind die Menschen, die die Nachbarschaft in meinem Kopf, in meinem Gedanken bilden. Diese Leute kommen aus Trogen, aus St.Gallen, aus der lokalen Kunstwelt, aus der Schule, aus Liechtenstein und so weiter – Leute, mit denen ich regelmässig kontakt habe und über meine Gedanken und Überlegungen diskutiere. Jedes Porträt besteht aus zwei Tafeln. Die erste Leinwand ist eine Darstellung des Gesichts „des Nachbarn / der Nachbarin“ in einer Variation meines Stils, den ich "drawing-painting"/ Zeichnung/Gemälde nenne, denn diese Arbeiten stehen irgendwo zwischen diesen beiden Medien. Die zweite Leinwand ist ein Bild von einem oder mehreren Objekten, das/die Person repräsentiert und die von der Person oder von mir ausgewählt ist/sind. In den Bildern kommen Einflüsse von Jackson Pollock, R.B. Kitaj, Jacopo Tintoretto, Schrift-Malerei meines Vaters Earl Brandl und die Comics des Sequenzielle-Kunst-Zeichners Gene Colan zusammen. Die Bilder scheinen mit geschleuderten Tropfen von Schildmaler-Email-Farbe gestaltet zu sein. Aber die Striche und Linien verwandeln sich zu Repräsentationen ihrer selbst. Ich mache visuelle Philosophie in Slang, auf Dialekt. In der Renaissance und im Barock haben Künstler oft symbolische, synekdochische Gegenstände in Gemälde integriert um die Interessen der Porträtierten darzustellen. Ich habe diese Bilder immer geliebt und hier sind meine Versionen. In der Vernissage können Sie die Individuen nach den Gegenständen und ihren Bedeutungen befragen. Noch ein letzter konzeptueller Aspekt: die Bilder sind zum Verkauf als Diptichon, weil die beiden Bilder jeweils als ein Kunstwerk zusammengehören. Allerdings gebe ich den individuellen Personen die porträtiert sind, auch die Option mir ein Gegengeschäft oder einen Tauschhandel vorzuschlagen. Ich mache das, weil die meisten Porträtierten keine Sammler oder Angehörige der Kunstwelt sind und ich bin gespannt, was sie für mich machen werden oder mir geben können im Austausch für ihr Bild. So entsteht ein eigener Wertraum – was wiederum spannend ist in einer Bank. Ich heisse Sie herzlich willkommen zu meiner Nachbarschaft im Kopf, einer Facette meiner Welt hier in der Ostschweiz. Herzlichen Dank möchte ich Walter Ernst, der Vadian Bank und allen hier dargestellten Personen aussprechen. Danke, dass Sie diese Ausstellung möglich machen.
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List of people and their chosen objects
Opening speech by Alex Meszmer
Vernissagerede von Alex Meszmer Mark Staff Brandl - The Hood in miim Chopf Vadianbank, St Gallen
Sehr geehrte Damen und Herren, Genau an den Tag kann ich mich nicht mehr erinnern, an dem Mark und ich Nachbarn wurden. Aber es war im Herbst 2001 und wir waren beide Kunstlehrer am Institut auf dem Rosenberg. Wir teilten das Klassenzimmer und bei jeder Begegnung redeten wir über Kunst, die Kunstwelt, die Kunstgeschichte. Wir ärgerten gegenseitig unsere Schüler, indem wir ihnen über ihre Werke jeweils das Gegenteil erzählten… wenn solche Gespräche stattfinden, beginnt eine Nachbarschaft, das war der Anfang von unserer ‘Hood’. The Hood – das hat auch etwas von Horde, der Stammeshorde, dem Zusammenschluss einer Gruppe in frühgeschichtlicher Zeit, die angeblich etwa 80 bis 120 Mitglieder umfasste und mir wurde schon desöfteren die These zugetragen, dass die Horde als attavistischer Mechanismus bis heute in uns weiterwirke. So sollen auch unsere Adressbücher im Schnitt etwa 80 bis 120 Kontakte enthalten, mit denen wir dauernd im direkten Austausch stehen und so angeblich die menschlichen Kapazitäten für den direkten Kontakt bestimmt werden. The Hood – die Nachbarschaft – können wir uns nicht wirklich aussuchen. Das sind nicht nur Freunde, obwohl aus Hoodies auch Freunde werden können. Es ist die Schicksalsgemeinschaft, die uns umgibt. Das ist die nächste Umgebung, die mit einer Tasse Zucker oder Salz, etwas Kaffee oder mal einer Schaufel aushelfen kann. Sie kennen das, nehme ich einmal an. The Hood ist das kleine Dorf, das uns umgibt, egal ob wir in einer Megacity oder auf dem Lande wohnen – auch in Berlin, Zürich, New York, London gibt es The Hood. Es ist der Radius in dem ich mich bewege. Das kann Kreuzberg sein, Kreis 4, Chelsea oder das Eastend. Eigentlich leben wir immer in einem Dorf. Die Umgebung – the area – ist der Ausgangspunkt für The Hood in miim Chopf. Mark Staff Brandl begann die Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung zu porträtieren. Aber es sind nicht nur Porträts. In der Manier der Renaissance und Barock Maler wählte er zu jedem Porträtierten einen Gegenstand oder liess ihn auswählen, der charakteristisch für die Person oder die Personen ist. So wird jedes Werk zum Diptichon und jedes Porträt erhält ein Bild mit einem Attribut und erweitert das Abbild der Person mit einer Geschichte. Attribute kennzeichnen in der Malerei die Dargestellten. Die griechisch-römischen Götter, die Protagonisten aus der Bibel, die Heiligen – sie alle haben Attribute, durch die wir die Personen, die Bilder und damit die auf dem Bild erzählten Geschichten entschlüsseln können: eine Muschel auf dem Meer, Perlen und die Dame ist nackt – das muss die Geburt der Venus/Aphrodite sein; oder ein halbnackter Mann, an einen Baum gefesselt und von Pfeilen durchbohrt – das ist der heilige Sebastian während seines Martyriums. Attribute findet man auch in der profanen Porträtmalerei und das Spannende dabei ist: die Namen und die individuellen Lebensumstände eines oder einer Porträtierten aus der Renaissance wissen wir vielleicht nicht mehr. Aus der Kleidung und den Attributen können wir jedoch Rückschlüsse ziehen auf den Beruf, den Stand und die Eigenschaften, die vom Maler hervorgehoben werden sollten: der tugendhafte Kaufmann, die vornehme Dame usw. Mit der Zeit ändern sich die Wirklichkeiten der Bilder. Wie entschlüsseln wir aber die 44 Attribute dieser 44 Bilder? Um Ihnen ein Beispiel zu geben, entschlüssele ich Ihnen, was es mit unserem Porträt und unserem Attribut auf sich hat: So wie Mark Staff Brandl in Trogen, in der Nachbarschaft von St Gallen lebt, leben wir – mein Partner Reto Müller und ich – in Pfyn. Das ist auch in der Nachbarschaft von St Gallen – aber für St Gallen ist der Thurgau gern eher weniger Nachbarschaft, als tiefe Provinz. Pfyn hat seinen Namen vom spätrömischen Grenzkastell Ad Fines und Reto und ich leben in einem Haus, das auf den Mauern dieses Kastells gebaut ist. Die römischen Mauern waren auch der Grund für ein Kunstprojekt – der zeitgarten und das Transitorische Museum zu Pfyn – and dem wir seit bald zehn Jahren arbeiten. Ad Fines übersetzt heisst an der Grenze, aber vielleicht auch: am Ende der Welt. Ein römischer Soldat, der vor 1700 Jahren nach Pfyn versetzt wurde um dort Dienst zu leisten, fühlte sich wahrscheinlich noch viel mehr in die Provinz verdammt, als ein St Galler, der heute in den Thurgau zieht. Der Gegensatz zwischen dem Zentrum und der Provinz und die Gefühle, die diese verbinden, das hat uns interessiert, als wir vier Jahre lang versucht haben, eine antike römische Säule von Rom nach Pfyn zu bringen und es ist die römische Säule, die unser Attribut darstellt. Sie sehen unser Attribut verweist auf einen Aspekt unserer Arbeit. Gleichzeitig kreist das Thema um eine Diskussion, die Mark und ich seit Jahren führen: Was ist Provinz? Was ist ein Zentrum? You always live in a village, sagt Mark dazu. Die Kunstwelt, das Dorf in dem wir Künstler imaginär leben, ist eben auch: ein Dorf. Die Kunstkritikerin Annelise Zwez sagte dazu einmal: Wir in der Kunstwelt leben auf einer sehr kleinen Insel. Vielleicht ist die Kunstwelt noch abgeschlossener als ein Dorf im Appenzell. Und vielleicht hat das damit zu tun, dass Kunst gerne als elitär betrachtet wird, auch wenn sie dies längst nicht mehr ist. Elitäre Kunst ist für den Adel gemacht, sagt Umberto Eco, nur der Adel hat auch die Zeit und die Musse sich in Kunstwerke hineinzudenken und sich ganz in der Auseinandersetzung eines bestimmten Aspekts zu vertiefen. Der Adel ist aber auch eine aussterbende Spezies. Mark Staff Brandl behandelt alle Personen und ihre Attribute in seiner Bilderserie gleich – da könnte man ihn als einen demokratischen Maler bezeichnen. The Hood in unserer heutigen Welt betrifft natürlich auch unsere virtuelle Umgebung: Facebook, Twitter, Instagram, tumblr. Social Media hat The Hood erweitert und wir diskutieren Ausstellungen, Philosophie und Kunst mit Menschen, die wir im analogen Leben vielleicht nie getroffen hätten. Interessanterweise ist dies keine neue Erfindung, denn Grenzen überwindende Kommunikation in der Kulturwelt existiert seit der Erfindung transportierbarer Botschaften. Trogen mit den Zellwegern, ihren Kontakten und ihrer ausscheifenden Korrespondenz im 18./19. Jahrhundert bietet dazu ein Beispiel. Trogen – The Hood, Marks Nachbarschaft – da ist sie wieder und diesmal im historischen Kontext. Als ich Mark Staff Brandl vor bald 15 Jahren kennenlernte, bezeichnete er sich als konzeptueller Maler. Er denkt in kunstgeschichtlichen Dimensionen und seine künstlerische Nachbarschaft geht weit über Trogen, die Ostschweiz und auch die Schweiz hinaus. Wären Zeitreisen bereits erfunden, Mark würde sie nutzen um direkt in die Ateliers der Künstler aller Zeiten zu reisen, um mit ihnen zu diskutieren. Er wäre mit Sicherheit dauernd unterwegs. Er weiss, was er tut und bei allem, was er tut, kommt er immer wieder auf die Malerei zurück. Malend experimentiert er mit dem Bezug zu Geschichte und Kunstgeschichte, mit Kontext, mit Kultur, seiner sozialen Umgebung, mit philosophischen und soziologischen Aspekten und er dokumentiert und kommentiert was um ihn herum passiert. Nehmen wir heute Abend als Beispiel. Wir befinden uns in einer Bank. Hier geht es um Bares und Banknoten. Wenn der Künstler, seinen Porträtierten anbietet, dass sie die Bilder gegen Aktivitäten, Dienstleistungen oder andere Objekte tauschen können, ist das von vorneherein mitbedacht, auch eine kleine Rebellion und steht im Kontext mit dem Ausstellungsraum an sich. Was unser Attribut zu unserem Porträt bedeutet, habe ich Ihnen enthüllt. Jetzt bietet sich aber für Sie, sehr geehrte Damen und Herren, heute endlich einmal die Gelegenheit, den immer etwas peinlichen Smalltalk an Kunstvernissagen zu umgehen. Sie können mit den anwesenden Porträtierten ganz locker ins Gespräch kommen, indem sie über die Geschichten der Attribute reden. So können wir heute Abend von einem Kunstpublikum einer Ausstellung ganz einfach zu Nachbarn werden. Dann sind wir The Hood. Brandls Hood! nicht nur in seinem Kopf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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